vom 02.04.2025

Kritische Vernunft

Betrifft: Leserbrief „Vor- und Nachteile abwägen“ (EJZ vom 28. März) und Artikel „Verminderte Akzeptanz“ (EJZ vom 18. März)

Die Atmosphäre bei der Veranstaltung in Pferdeschulzes Reithalle war enorm konzentriert.
Über zwei Stunden haben circa 230 Besucher trotz der enormen Kälte ausgeharrt, um den Vorträgen zu lauschen. Kritische Einwürfe gab es kaum. Das Thema ist relevant, und die Veranstaltung diente durchaus der von Herrn Gottesleben angemahnten Versachlichung einer kritischen Auseinandersetzung.

Die EJZ stellte in ihrem Bericht allerdings mehr die Intention des Geschäftsführers des Bauernverbandes Nordostniedersachsen (BVNON) dar als die referierten Inhalte.

Das Paradoxe: Der persönlich eingeladene Herr Heuer, der dort selbst Flächen bewirtschaftet, war nicht anwesend. Ein Inhalt der Veranstaltung war, die Verhältnismäßigkeit beziehungsweise Maßlosigkeit von Windenergieanlagen an diesem Ort und im Landkreis überhaupt darzustellen. Zurzeit werden in Wietzetze vier bis fünf Anlagen des Typs Vestas 172 mit 280 Meter möglicher Höhe (Vergleich: Hamburger Fernsehturm 278 Meter) vorgeschlagen. Fünf dieser Anlagen reichen rechnerisch aus, bei 25 Prozent Betrieb den momentanen Bedarf aller 26.000 Haushalte im Landkreis mit durchschnittlich 3.000 kWh/a Verbrauch zu gewährleisten. Somit muss auch die quantitativ mögliche Windstromproduktion auf den vom Landkreis gemäß Raumordnungsprogramm (RROP) bereitzustellenden Windvorranggebieten mit möglichen 200 Out-Rotor-WEA infrage gestellt werden. Dieses ergäbe nämlich Strom für circa zwei Millionen Menschen, zum Beispiel in Bayern oder Hamburg.

Unser Landkreis beheimatet circa 48.000 Einwohner. Was für eine immense Überzeichnung der Flächen! Noch nicht einmal enthalten ist der stark voranschreitende Ausbau der Solarenergie. Die Entsorgung des Stromes aus unserem Landkreis ist entsprechend der momentanen Planung der Investoren über das bis 2035 geplante Netz nicht gewährleistet. Es werden stillstehende Riesen projektiert, da eine effektive ökologische Langzeitspeicherung noch nicht in Sicht ist.

Das Tal Wietzetze sowie der gesamte Elbebereich mit den angrenzenden Höhen muss der Natur vorbehalten bleiben und ist gemäß RROP auch gar nicht als Windvorranggebiet geeignet. Offensichtlich geht es wiederum nicht um die sinnvolle ökologische Umsetzung der Energiewende, sondern um die monetären Interessen Einzelner, momentan Begünstigter. Es grassiert die Ellbogenmethode, wer zuerst kommt und die Politiker und Grundbesitzer überzeugt, hat die besten Chancen, von dem üppigen Subventionskuchen abzubekommen. Solch profitorientierter Durchmarsch führt letztendlich weiterhin zur Zerstörung von Natur- und Kulturlandschaft. Lasst uns immer wieder zusammenkommen, um auf diese Diskrepanz hinzuweisen, und vernünftige Langzeitlösungen diskutieren.

Christoph Luther-Mosebach,
Bahrendorf

 

Bearbeitet am: 02.04.2025/ad


Zurück zur Homepage

Bezugsquelle der EJZ:

http://www.ejz.de