Was wiegt mehr – Ästhetik oder Existenz?
Betrifft: Ausbau der erneuerbaren Energien
Windkraft- und Solaranlagen sind sichtbare Zeichen einer dringend nötigen Energiewende. Dass ihr Ausbau Fragen aufwirft, ist verständlich. Viele Kritikpunkte basieren jedoch nicht auf wissenschaftlichen Fakten, sondern auf verzerrten Wahrnehmungen. So wird etwa „Mikroplastik durch Windkraft“ diskutiert – tatsächlich stammen nur rund 0,006 Prozent der Mikroplastikemissionen in Deutschland aus Rotorabrieb. Wesentlicher ist der Reifenabrieb im Straßenverkehr. Mikroplastik wird vor allem dann umweltschädlich, wenn es in Bodennähe freigesetzt und in Böden oder Gewässer gelangt – nicht durch diffuse Freisetzung in großer Höhe.
Auch das Vogelsterben durch Windkraftanlagen wird aus meiner Sicht oft überbewertet – ihr Anteil liegt bei unter 0,5 Prozent aller durch menschliche Einflüsse getöteten Vögel. Viel größere Gefahren sind Glasfassaden, Autos, frei laufende Hauskatzen sowie der Klimawandel selbst, der Lebensräume, Zugrouten und Nahrungsquellen bedroht.
Wasserdurchlässig
Viele Vorbehalte richten sich auch gegen die Flächenversiegelung durch Solaranlagen. Die meisten Photovoltaik-Freiflächen entstehen jedoch auf ertragsschwachen oder bereits genutzten Flächen wie Konversionsarealen oder Verkehrsinseln. Der Boden unter den Modulen bleibt wasserdurchlässig, oft werden Blühwiesen oder Weidetiere eingesetzt. Auch Agri-PV, die Kombination von Landwirtschaft und Solarenergie, gewinnt an Bedeutung.
Natürlich verändern Wind- und Solaranlagen das Landschaftsbild – wie Straßen oder Gewerbegebiete auch. Aber ihre Alternative ist ebenso sichtbar: trockene Wälder, versiegende Flüsse, instabile Ernten. Wer Wind- und Solarenergie ablehnt, setzt auf fossile Quellen mit weitaus gravierenderen Folgen für Klima, Gesundheit und Artenvielfalt. Nicht die Existenz von Wind- und Solarkraft ist das Problem, sondern die Vorstellung, man könne auf sie verzichten, ohne einen höheren Preis dafür zu zahlen.
Jörg Pengel
Wustrow